Prof.in Dr.in Inge Seiffge-Krenke hat bislang zahlreiche internationale Projekte in 21 Ländern geleitet. 2018 erhielt sie von der "Society for Study of Emerging Adulthood (SSEA)" den "Best International Research Award". Die Forschungsschwerpunkte ihrer Längsschnittstudien liegen in Eltern-Jugendlichen-Beziehungen, romantischen Beziehungen, der Bedeutung des Vaters sowie der neuen Entwicklungsphase des "emerging adulthood". Für UNI for LIFE leitet Seiffge-Krenke in Kooperation mit dem Steirischen Landesverband für Psychotherapie (STLP) das Seminar "Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ-2)". Drei Fragen an sie zu aktuellen Arbeitsanforderungen und neuen Erkenntnissen der OPD.
Warum ist ein eigenes psychodynamisches Instrument für Kinder und Jugendliche derart essentiell?
Seiffge-Krenke: Ein Störungskatalog bzw. Klassifikationen alleine reichen schon lange nicht mehr aus, wenn man psychische Störungen angemessen behandeln will. Seit über 20 Jahren haben wir an einem Instrument gearbeitet, das psychoanalytische Konstrukte möglichst beobachtungsnah operationalisiert, damit wir mit einer gemeinsamen Sprache zu ähnlichen Einschätzungen kommen. OPD bzw. OPD-KJ-2 ist inzwischen international ein fester Bestandteil der psychodynamischen Ausbildungs- und Weiterbildungslandschaft. Es geht dabei nicht nur um die Frage, welche Konflikte vorliegen, sondern wie dysfunktional diese sind, in dem sie die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hemmen bzw. wird auch erfasst, welche Voraussetzungen Kinder und Jugendliche für Konflikte und deren Lösungen mitbringen.
Inwiefern spielen bei der Diagnostik im Kinder- und Jugendalter Beziehungsmuster und Beziehungsqualitäten tragende Rollen?
Seiffge-Krenke: Beziehungen sind in vielen empirischen Studien die eigentlichen Wirkfaktoren, die zu Veränderungen in psychodynamischen Therapien beitragen. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist zu beachten, dass der Therapeut in seiner Arbeit später im Beziehungsdreieck Kind-Eltern-Therapeut steht. Es ist deshalb wichtig, von Anfang an die Realität ins Boot zu holen, d.h. beide Elternteile, Großeltern, Lehrende, das nahe Umfeld müssen im Gesamtkontext betrachtet werden. Nicht selten stellt sich erst dann die Frage, wer eigentlich der Patient ist. Es kommt vor, dass Kinder bloß "vorgeschoben" werden und das Problem bei einer anderen Person liegt.
Welche aktuellsten Kenntnisse erachten Sie auf dem Gebiet als relevant für SeminarteilnehmerInnen und Interessierte?
Seiffge-Krenke: Ganz generell sind gute entwicklungspsychologische Grundlagen wichtig, um entscheiden zu können, ob eine krankheitswertige Störung vorliegt oder nicht. In der therapeutischen Arbeit sind klassische analytische Techniken noch stärker zurückgegangen, stattdessen wird die Arbeit im Hier und Jetzt klar fokussiert. In Zeiten von z.B. unzureichender Emotionsregulierung und fehlender Empathie (z.B. bei Mobbing und Cybermobbing) gilt es, Strukturaufbau zu leisten und die Balance zwischen äußerer und innerpsychischer Belastung in PatientInnen zu finden und zu fördern. Mutmaßungen haben dabei keinen Platz! Es geht um eine objektivierbare Wahrnehmung durch die exakte Betrachtung mehrerer Perspektiven. Im Seminar trainieren und schärfen wir u.a. diese Objektivierung.
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